"Ich habe einen Kompass in mir, der mich in eine Richtung leitet". So beschreibt der in Kopenhagen lebende Songwriter und Produzent Sly seinen kreativen Prozess, der ihn zu einigen der aufregendsten neuen Pop-Hits des Jahres 2020 geführt hat.
"Manchmal fange ich ganz nah an, manchmal ist es eine lange Reise, aber ich weiß, dass ich weitermachen muss, bis sich der Kompass zu drehen beginnt.Wenn er sich dreht, weiß ich, dass ich es geschafft habe."
Auch ohne Kompass gibt es keinerlei Chance, dass Sylvester Sivertsen die Orientierung verliert. Egal ob er in Los Angeles mit Künstlern wie Shawn Mendes, The Chainsmokers, The Jonas Brothers und weiteren internationalen Stars arbeitet oder in einer abgelegenen Ecke seine eigenen Songs kreiert - eines bleibt konstant: Die Koordinaten seines Geburtsortes, die auf seinem linken Arm verewigt sind. So ist Sly immer nur einen Blick von Tversted entfernt, dem kleinen Küstendorf mit rund 500 Einwohnern im Norden Dänemarks. Sly sieht es als seinen "sicheren Hafen - wo nichts anderes zählt, als an den Strand zu gehen, bei Regen einen Regenmantel anzuziehen und Essen für den Abend vorzubereiten".
Eine Reise von Kopenhagen nach Tversted, sagt er, kann ein ebenso großer Kulturschock sein, wie eine Reise von LA nach Kopenhagen. Es ist aber gerade diese Kombination aus Gegensätzen, die sich durch Songs wie Cotton Candy, Stoned und Why zieht: Musik, die sowohl durch elektronische, als auch durch organische, Elemente fasziniert. "Menschliche Emotionen sind das, was Musik ausmacht", begründet er. "Ich bin sehr wählerisch, ob Musik mich etwas fühlen lässt - in ihrer Lyrik, ihrer Melodie, ihrem Klang oder in allen dreien gleichzeitig."
Musik liegt Sly im Blut. Sein Vater ist der renommierte Produzent und Schlagzeuger Jan Sivertsen - "Mein Vater war jemand der einen großen Einfluss auf mich hatte. Er verschaffte sich einen Überblick und fragte dann: 'Wie kann ich dem Song die bestmögliche Version seiner selbst geben?" Aber Sly's vielleicht größte Inspirationsquelle war seine Mutter, die dänische Sängerin und Komponistin Lis Sørensen. "Sie folgte immer ihrem eigenen inneren Kompass, und ich sah, wie die Treue zu sich selbst meiner Mutter eine ebenso erfüllende wie lange Karriere bescherte."
Sly brachte sich das Produzieren sozusagen selbst bei, indem er viel mit anlogen Geräten herumexperimentierte. Seine größten Inspriationsquellen dabei waren Daft Punkt und Justice: In seiner Musik finden Live-Gitarre- und Drums ihren Platz, er vermischt Old – und New School und kreiert einen techno-analogen Hybrid.
"Ich bekomme ein unheimliches Gefühl, wenn alles synthetisiert ist", sagt er. "Ich kann damit einfach keine Verbindungn aufbauen." Einer von Slys einzigartigen Bass-Sounds wurde zuerst auf seinem iPhone aufgenommen und dann wieder über den iPhone-Lautsprecher in Slys Mund wiedergegeben. "Es war ein seltsamer Klang, den niemand zuvor gehört hatte", erklärt er.
In seinen späten Teenagerjahren wurde Sly von einem Manager entdeckt, der ihm eine große Karriere versprach und dafür versuchte, Sessions mit großen Künstlern zu organisieren. Sly widersetzte sich dem jedoch. "Ich sagte nein, weil ich noch nicht gut genug war", sagt er heute. "Stattdessen machte ich langsam Fortschritte, was bedeutet, dass ich jetzt, wenn mich jemand bittet, in eine Session mit Dua Lipa zu gehen, sagen kann: 'Ja, ich bin bereit'".
Sly lernte über die Jahre, sich nicht einem bestimmten Sound unterzuordnen oder sich in eine Playlist einordnen zu lassen, um großen Erfolg zu erzielen. Er blieb sich und seinem einzigartigen Stil immer treu. Das führte widerrum zu großen Erfolgen wie zum Beispiel "Side Effects", ein Song, der Hunderte Millionen Streams für The Chainsmokers erzielte. "Als ich anfing, die Musik zu machen, die ich hören wollte, traf ich eine Ader", sagt er. Schließlich begann Sly, inspiriert durch seine Arbeit mit bedeutenden Künstlern und seinem individuellen Lernprozess folgend, endlich auch Musik für sich selbst zu machen.
Das bringt uns in das Jahr 2020 und zu einem der spannendsten Produzenten, der sich nun als eigenständiger Künstler mit einzigartigen Soundwelten präsentiert und mit einer handverlesenen Auswahl der klügsten Köpfe des Pop zusammenarbeitet, darunter Emily Warren (die den Lead-Gesang bei Cotton Candy Bittersweet übernahm), Clarence Coffee Jr. oder Tayla Parx.
Das Jahr 2020 wird Slys bisher größtes Jahr sein, und während er selbst mehr in den Mittelpunkt rückt, wird er weiterhin mit globalen Künstlern an deren eigener Musik arbeiten. "Ich betrachte meine Produzentenkarriere und meine Künstlerkarriere jetzt nicht als getrennt", sagt er. "Zum ersten Mal fühlt sich alles richtig an."


